Es geht los
Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Hab ich’s doch gesagt!
Hallo!
Erinnerst du dich an meine Waschmaschine?
https://blaupause.community/posts/4d63a680-d303-4f46-a44d-8a2a70a9f88f (Öffnet in neuem Fenster)In dieser Blaupause aus dem Juli hatte ich vom Fehler E20 erzählt, meinem Hund und was das Ganze wiederum mit der nächsten Distributions-Ära des Internets zu tun hat. Das ganze ging dann (ein bisschen) viral (Öffnet in neuem Fenster).
Und jetzt, gerade mal drei Monate später, kommt es genau so, wie ich es beschrieben habe: OpenAI baut ChatGPT zu einer Plattform aus. (Öffnet in neuem Fenster)
ChatGPT legt den Käse in die Falle
Das bedeutet: ChatGPT ist nicht mehr nur ein Ort, an dem man Text eintippt und Antworten bekommt. Stattdessen wird es zu einer Art Betriebssystem für KI-Anwendungen. Entwickler:innen können künftig eigene Apps direkt in ChatGPT einbauen, so wie man auf dem Smartphone Apps installiert. Wenn du also zum Beispiel einen Flug buchen oder die Nachrichten lesen willst, musst du nicht mehr den Chat verlassen, sondern kannst das alles direkt dort tun.
https://youtu.be/2C4Cs6503gw?si=DqZ61T5mz9Yjf4Ay (Öffnet in neuem Fenster)Dafür gibt es jetzt zwei zentrale Werkzeuge:
Ein SDK (Software Development Kit): Ein technischer Baukasten, mit dem Entwickler:innen ihre Dienste an ChatGPT anbinden können. Damit können zum Beispiel Canva, Booking.com oder Spotify direkt integriert werden. Nutzer:innen können dann im Chat auf diese Dienste zugreifen.
Ein sogenanntes Agent-Kit: Ein Werkzeugkasten, mit dem sich automatisierte Abläufe und Workflows erstellen lassen. (Also eine Art Zapier, falls dir dieses APIs-aneinander-stöpsel-Tool etwas sagt.) Ein „Agent“ ist hier ein KI-Programm, das Aufgaben selbstständig ausführt. Zum Beispiel Daten abrufen, E-Mails verschicken oder Inhalte veröffentlichen. Agent Kit soll es möglich machen, solche Agenten zu bauen, ohne selbst programmieren zu können.
Das verändert die Machtverhältnisse: OpenAI ist dann nicht mehr nur Anbieter eines KI-Modells, sondern Betreiber einer Plattform, über die andere ihre Produkte ausliefern. Wer in Zukunft KI-Anwendungen anbieten will, muss sich an diese Plattform andocken. Das gibt OpenAI eine ähnliche Rolle wie Apple beim iPhone: Wer eine App veröffentlichen will, muss sich an die Regeln des App-Stores halten.
Phase 2 hat diese Woche begonnen
Blaupause-Leser wussten also früher Bescheid. Natürlich ist diese ganze Analyse nicht auf meinem Mist gewachsen. Insofern will ich mich nicht mit fremden Federn schmücken: am überzeugendsten habe ich die Analyse zuerst bei Brian Balfour gelesen (Öffnet in neuem Fenster). Dennoch finde ich es überraschend, wie wenige Menschen durchblicken, was da gerade passiert.
Neue KI-Plattformen wie ChatGPT entwickeln sich gerade zu Distributionskanälen, ähnlich wie es zuvor bei Google, Facebook oder das iPhone. ChatGPT ist bereit für hunderte Millionen viele User die Startseite des Internets. Hier beginnen sie täglich ihre Interaktion mit digitalen Inhalten. Wie das bald aussehen wird, hat OpenAI vor zwei Wochen unter dem Namen Pulse vorgestellt („ChatGPT starts your day“).
https://youtu.be/nk6IjAnCCqw?si=VhG-_re51uRZqK5A (Öffnet in neuem Fenster)Diese starke Stellung als Internet-Startseite will OpenAI nun ausnutzen. So lief es bisher schließlich immer, bei Search (Google), Mobile (Apple App Store) und Social (Facebook):
Phase 1: Dominieren. Jede Plattform findet zunächst heraus, was sie unangreifbar macht. Bei Google waren es die Suchdaten (Was wollen die Leute?). Bei Apple war es das App-Ökosystem und der Zugang zum Mini-Computer in jeder Hosentasche. Bei Facebook war es die Kontrolle über den Social Graph (Wer kennt wen?).
Phase 2: Öffnen. Die Plattform schafft ein „offenes“ Ökosystem. Es winken kostenloser Schnittstellen, virales Wachstum, Umsatzbeteiligung. Warum? Weil alle, die auf der Plattform aufbauen, sie stabiler machen und schwerer zu verdrängen.
Phase 3: Kassieren. Sobald die Plattform eine dominante Stellung erreicht, ändern sich die Regeln. Was vorher umsonst war, kostet plötzlich. Was erlaubt war, wird eingeschränkt. Die Plattformen beginnen, mit uns zu konkurrieren: Sie bauen eigene Versionen der erfolgreichsten App und Inhalte. Sie kassieren eine Umsatzbeteiligung. Sie reduzieren die Reichweite künstlich, damit wir dafür zahlen.
Seit dieser Woche befinden wir uns in Phase 2. Alle Webseiten, inklusive digitale Medien, bauen ab jetzt eigene ChatGPT-Apps. Zwar weiß niemand, ob sich diese UX durchsetzen wird (einmal ist es ja schon schiefgegangen – mit „Custom GPTs“), aber wer kann riskieren, beim nächsten großen Distributionskanal nicht dabei zu sein?
Solltest du eine ChatGPT-App entwickeln?
Mein Blick darauf ist kein moralischer. Wir befinden uns einfach im digitalen Kapitalismus, und da geht es für die kleinen Fische darum, nicht von größeren Fischen gefressen zu werden. ChatGPT ist zwar inzwischen ein sehr, sehr großer Fisch, der aber dennoch von noch größeren Fischen umkreist wird, die ziemlich hungrig aussehen. Das sind die Regeln des Spiels, das wir spielen.
Mein Rat ist nicht, sich aus diesem Spiel zu verabschieden und etwa keine eigene ChatGPT-App zu entwickeln. Ich finde es nur sehr wichtig, sich die Regeln dieses Spiels bewusst zu machen. Und das bedeutet, das Ziel des Spiels im Blick zu behalten: gigantische Umsätze.
Das Ziel von ChatGPT müssen solche Umsätze sein. Sonst wären die wahnsinnigen Finanzierungsrunden, Bewertungen und Investitionen überhaupt nicht zu rechtfertigen. Der Tag wird also schneller kommen als in früheren Internet-Ären, da wir alle dafür bezahlen müssen, diese Plattform nutzen zu dürfen. Und dann sollten wir sichergestellt haben, dass OpenAI nicht zwischen uns und unseren Followern oder dem eigenen Publikum steht, so wie es mit Google, Facebook und Apple passiert ist.
Ab jetzt wird es sehr gefährlich
Was uns als Medien, aber besonders uns als User dabei sehr bewusst sein sollte: Was wir da machen, ist sehr gefährlich. OpenAI wird in irgendeiner Form seinen App-Partnern Zugriff auf Memory und Kontext seiner User gewähren. OpenAI weiß sehr viel über dich und mich, wenn wir die App benutzen. Dieses Wissen ist hochsensibel und sollte auf keinen Fall in falsche Hände fallen.
Selbst wenn wir nicht unsere intimsten Gedanken mit dieser App teilen (was Millionen User tun); selbst wenn wir nicht sämtliche Geschäftsdokumente mit der App teilen (was Millionen Unternehmen tun) und selbst wenn wir nicht Zugriff auf unsere E-Mails gewähren (was Millionen Nutzer:innen machen), weiß ChatGPT durch seine unheimliche neue Technologie, die wir hilflos künstliche Intelligenz nennen, unglaublich viel über uns.
Erinnern wir uns mal ganz kurz, was beim letzten Mal passiert ist, als Facebook allen möglichen Integrationspartnern Userdaten überlassen hat. Das Ergebnis war ein Datenschutzdesaster unbekannten Ausmaßes, die Manipulation von Wahlen durch anti-demokratische Mächte und der Cambridge-Analytica-Skandal, der schließlich – Jahre zu spät – zu einer stärkeren Regulierung führte.
Geeignete Regulierungen, die solche Szenarien verhindern würden, gibt es bei der künstlichen Intelligenz im Moment nicht. Wir müssen OpenAI vertrauen, dass sie unser Gedanken und Gefühle, Informationen und Verbindungen nicht preisgeben.
Was soll schon schiefgehen?
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
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Es ist wahrscheinlich der Podcast, den ich am längsten höre, nicht immer, aber immer wieder. Diese Woche geht diese (einseitige) Beziehung zu Ende, am heutigen Montag erscheint die letzte Folge.