Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: Du wirst nicht glauben, was dann geschah!
Hallo!
Du hast möglicherweise die kleine Peinlichkeit mitbekommen, die vor ein paar Tagen auf Spiegel.de stattfand. Da hatte nämlich jemand vergessen, im letzten Absatz die Ergänzung der Künstlichen Intelligenz wegzulöschen: „Wenn du magst, passe ich Ton und Detailtiefe (z. B. nüchterner Nachrichtenstil vs. magaziniger) oder markiere dir die konkreten Änderungen im Vergleich zum Original.“
(Öffnet in neuem Fenster)Das fand ich, wie tausende andere, lustig – wahrscheinlich vor allem, weil wir uns selbst ertappt fühlen. Wir alle nutzen wohl inzwischen ChatGPT an Stellen, die eigentlich zu heikel sein sollten. Gleichzeitig wird klar, dass auch der Nachrichten-Journalismus mit Wasser kocht. In diesem Fall: Eigene Recherchen mithilfe von KI um Agentur-Material ergänzen und in eine Spiegel-konforme Form bringen.
Ich bin nicht sicher, ob sich daraus irgendetwas lernen lässt, außer dass ein weiterer Anlass entstand, den Medien® allgemeine Nachlässigkeit vorzuwerfen. Die hämische Variante vieler Kommentare: Selbst Spiegel-Journalismus ist nur noch „AI Slop“.
Was ist „Slop“?
Dieser Begriff hat Karriere gemacht. Ich war Ende vergangener Woche auf den Münchner Medientagen, und dort war auf quasi jedem Konferenz-Panel von Slop die Rede. Alle schienen wissend mitzunicken. Nach dem Motto: „Welcome to my world.“
„Slop“ ist eine Wortschöpfung ähnlich wie „Spam“ aus der E-Mail-Ära, die ein nerviges neues Problem benennt. Seit Mitte letzten Jahres nutzten auch große Medien das Wort. Slop heißt wörtlich übersetzt etwa „Schlamm“ oder „glitschiger Abfall“ und bezeichnet die Flut an KI-generierten Inhalten, die gerade das Internet überschwemmt. Ich stelle mir dabei gern etwas Braun-Grünes vor, das aus einem Rohr quillt.
Bekannte Beispiele für Slop sind: KI-Bilder auf Social Media wie „Shrimp Jesus“ …

… den Papst im Plüsch-Anorak …
(Öffnet in neuem Fenster)… oder das Phänomen „Italian Brain Rot“, das zu verstehen für meine Altergruppe unmöglich ist.

Leistungsfähigere KIs machen Slop-Videos immer besser. Ich sehe seit einiger Zeit immer mehr Tier-Deepfakes, die kaum von der Wirklichkeit zu unterscheiden sind – außer dass sie völlig unglaubwürdig sind. Zum Beispiel: Wale, die angeblich von riesigen Mengen Muscheln gereinigt werden (Öffnet in neuem Fenster). Omas, die von ihren Hunden vor einem herabstürzenden Carport gewarnt werden. Oder Papageien, die Angst haben um das Leben eines anderen Papageien, der allerdings nur ein papageienförmiger Kuchen ist (Öffnet in neuem Fenster).

Aber natürlich gibt es auch viel textbasierten Slop, unzählige Fake-Nachrichten-Portale, hinter denen keine Menschen stehen und die Inhalte für die Suchmaschinenoptimierung (SEO) veröffentlichen. In etablierten Medien gibt es Vorfälle nichtexistierender Redakteur:innen wie den angeblichen Autoren „Drew Ortiz“ in Sports Illustrated (Öffnet in neuem Fenster), Synonym für eine KI. Im Amazon-Selbstpublishing-Angebot wiederum erscheinen unzählige KI-Bücher zu jedem Thema, die eindeutig Slop sind, mit denen sich aber Geld verdienen lässt.
Du wirst nicht glauben, was dann geschah
Neu sind Slop-artige Inhalte im Netz also nicht. Wichtigste Neuerung: Bisher wurde dieser Slop von Menschen hergestellt – meist schlechter als die neuen KI-Varianten.
Texte, die nur für Klicks oder Suchmaschinen-Rankings erstellt wurden, nannte man eine Weile Clickbait. Armen Tropfen erstellten ihn in sogenannten Content-Farmen. Die Hauptqualifikation dieser Tröpfe war es, eine Überschrift zu finden, so unwiderstehlich, dass die Leute nicht anders konnten, als draufzuklicken. Wir erinnern uns „Du wirst nicht glauben, was dann geschah“ und die „10 Tipps, die dein Leben verändern, Nummer 5 wird dich schockieren“.
Journalismus war das natürlich nie, im besten Fall Unterhaltung. Die ganze Clickbait-Industrie plusterte sich in wenigen Monaten auf und fiel genauso Soufflee-artig nach kurzer Zeit wieder in sich zusammen.
Journalistischer Slop aus dem Kanzleramt
Mit alldem hat das Spiegel-Beispiel vom Anfang wenig zu tun. Im Gegenteil: ich fände es professionell, die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz zu nutzen, um aus Nachrichtenagenturen-Texten und eigenen Informationen möglichst schnell einen lesbaren Text zu produzieren.
Es gibt allerdings auch Slop, der sich als Journalismus tarnt. Und dafür steht das Online-Magazin The European. Lustigerweise war ich ein kleines bisschen an dessen Gründung beteiligt; ich erinnere mich jedenfalls an einige Brainstorming-Runden 2009 im Wohnzimmer des Gründers Alexander Görlach (Öffnet in neuem Fenster). Zunächst war das Projekt spannend und recht erfolgreich. Ich habe ein paar politische Texte beigesteuert, die Gott sei Dank nicht mehr online sind.
Das Schicksal von The European änderte sich, nachdem es in den Orbit von Wolfram Weimer geriet. Der ehemalige Welt-Chefredakteur, Cicero-Gründer und heutige Kulturstaatsminister machte daraus eine Billig-Oberfläche für allerlei Texte von Leuten, die offenbar gar nicht ahnten, dass sie als Autoren auf der Seite geführt wurden. Also menschengemachte Slop-Inhalte, ohne eigenen Aufwand oder journalistischen Mehrwert. Es sollte wohl für ungeübte Augen der Eindruck exklusiver Gastbeiträge entstehen, obwohl es bloß Copy&Paste-Content war.
Darunter fanden sich angebliche Beiträge von Friedrich Merz, Alexander Dobrindt, Papst Franziskus, Brad Pitt und der heutigen AfD-Vorsitzenden Alice Weidel. Von dieser waren offenbar knapp 100 Beiträge auf der Seite. Auch weitere Autor:innen kamen aus dem rechtspopulistischen Spektrum. Diese Leute sind bekanntlich besonders gut darin, die Emotionen von Wutbürgern zu melken und in Klicks zu verwandeln.
Weimers Flirt mit dem Rechtspopulismus konnte niemanden überraschen. Überraschend war eher die Berufung eines Slop-Publizisten zum Kulturstaatsminister, der es mit der Brandmauer offenbar nicht so genau nimmt. Denn auch im Bundeskanzleramt redet Weimer von Rundfunkbeiträgen als „Zwangsgebühren“. Diese Sprache ist das Gegenteil von staatstragend, nämlich Demokratie-zersetzend. So spricht der Rechtspopulismus.
Weder die „Zwangsgebühren“, noch die Massenproduktion von rechtem Slop konnte dem „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“ bisher etwas anhaben. Wir leben in erstaunlichen Zeiten.
Wenn du magst, passe ich Ton und Detailtiefe (z. B. nüchterner Nachrichtenstil vs. magaziniger) oder markiere dir die konkreten Änderungen im Vergleich zum Original. … Spaß!!
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
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